
Guntram Fahrner über die Kunst der Wahrnehmung und die Zumutung des Weines
In einer Branche, die sich gern hinter Etiketten, Jahrgängen und großen Namen verschanzt, spricht Guntram Fahrner über das, was bleibt, wenn all das abgezogen ist: das Erleben. Die neue Podcastfolge ist ab sofort verfügbar – eine Einladung, die Welt des Weines nicht als Produkt zu konsumieren, sondern als Spiegel des eigenen sensorischen Vermögens zu begreifen. Fahrner ist kein Lautsprecher der Szene, aber ein Störgeräusch in der Frequenz der Beliebigkeit.
„Ich möchte die Menschen daran erinnern, dass sie riechen und schmecken können“, sagt Guntram Fahrner gleich zu Beginn der Episode – ein Satz, der wie eine Selbstverständlichkeit klingt, aber das Gegenteil meint. Denn was gemeinhin als Weingenuss verkauft wird, ist für ihn oft ein reflexhafter Akt ohne Tiefenschärfe. Die Verkostung ist für Fahrner „das nahezu Wichtigste“ in seinen Seminaren – nicht, weil sie belehrt, sondern weil sie öffnet. Den Gaumen. Die Erinnerung. Die Sprache.
Wer Guntram Fahrner zuhört, hört keinen Werbetext. Keine Technikbibel. Kein sensorisches Hochreck mit Zirkusansage. Sondern eine Forderung, sich auf den Geschmack einzulassen, ohne ihn zu glätten: „Auf die Aussage ‚schmeckt mir‘ oder ‚schmeckt mir nicht‘ kann man keinen Austausch und kein Gespräch aufbauen.“
Fahrners Methodik irritiert dort, wo die Szene Routine pflegt. Statt mit drei oder vier Aromen gibt er sich erst zufrieden, wenn ein Wein mit zehn, fünfzehn oder zwanzig beschrieben wird. Er nennt das nicht Übertreibung, sondern Genauigkeit. Denn in der Sprache des Weines liegt für ihn ein Schlüssel: Wer mehr weiß von einem Produkt, hat mehr von diesem Produkt – „und somit auch mehr von seinem Leben.“
Die Folge mit Guntram Fahrner ist kein Gespräch über Lieblingslagen, Rebsorten oder Winzerfreundschaften. Es ist ein leises, aber konsequentes Gegenmodell zur Selbstbeweihräucherung einer Szene, die sich oft lieber über Design und Dogma definiert als über Substanz. Fahrner definiert einen guten Winzer als „Produzenten, der ein gutes Produkt seriös produziert und unternehmerisch nachhaltig am Markt platziert.“ Mehr Ehrlichkeit war selten.
Doch auch das Lagerungsthema bleibt nicht unberührt. Guntram Fahrner macht deutlich, dass die Realität des Klimawandels längst im Keller angekommen ist: „Hier in Karlsruhe ist eine Weinlagerung für fünf oder zehn Jahre aufgrund der Klimaerwärmung in einem normalen Keller nicht mehr möglich.“ Die alten Vorstellungen von Luftfeuchtigkeit und Temperatur haben für ihn ausgedient – wer heute Wein lagern will, muss neu denken.
Diese Episode ist kein Porträt, kein Experteninterview, keine PR. Sie ist ein langsames, konzentriertes Gespräch über Wahrnehmung – und darüber, wie leicht wir sie verlieren. „Alle guten Weine dieser Welt werden mit der Natur gemacht – und nicht gegen die Natur.“ Vielleicht gilt das auch für uns selbst.
Ein großes Dankeschön an die Weingüter, welche diese Episode unterstützen und begleiten
