
Es gibt Sommeliers, die sich hinter Weinkarten verstecken, als wären sie sakrale Dokumente. Sie sprechen von Terroir, Jahrgangstiefe und dekantieren mit theatralischer Hingabe. Und dann gibt es Stephan Nitzsche – ein Mann, der mit all dem wenig anfangen kann. Er zelebriert keinen Wein, er lebt ihn. Keine Attitüde, keine Choreografie, nur ehrlicher Genuss, zum richtigen Zeitpunkt, für die richtige Person.
Heute ist er der Chef-Sommelier im L.A. Jordan, dem mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurant im Ketschauer Hof in Deidesheim. Sein Weg dorthin? Unkonventionell, unbequem, aber immer zielgerichtet.
Von Hessen nach Deidesheim – und immer gegen den Strom
Nitzsche stammt aus Hessen, nicht aus einer glamourösen Weinhochburg, sondern aus einer Region, die ihm vor allem eines mitgab: ein Gespür für ehrliche Gastronomie. Er wollte nicht in der Theorie versinken, sondern verstehen, wie Menschen trinken, was sie genießen – und warum.
Seine Ausbildung begann er als Restaurantfachmann, nicht als Sommelier. Denn für ihn war immer klar: Ein guter Gastgeber kennt Wein, aber er definiert sich nicht über ihn. Seine ersten großen Schritte machte er in Fritz Kellers Schwarzem Adler, wo er erstmals den kompromisslosen Zugang zu Wein erlebte, der ihn bis heute prägt. Später folgten Stationen in der Villa Hammerschmiede, wo er seine Philosophie weiterentwickelte: Wein ist keine Religion. Es gibt keinen perfekten Wein, nur den perfekten Moment.
Keine Dogmen, keine Prestige-Weine – nur das, was wirklich zählt
Wer mit Stephan Nitzsche spricht, merkt schnell: Er ist nicht an Status interessiert. Eine 1.000-Euro-Flasche beeindruckt ihn genauso wenig wie eine „Geheimtippsammlung“ aus Instagram-Winzerhänden. Seine Weinkarte im L.A. Jordan ist kein Schaulaufen für Namen, sondern eine Sammlung von Flaschen, die eine Geschichte erzählen – und dabei kompromisslos gut sind.
Er liebt es, Gäste herauszufordern, Erwartungen zu brechen, mit Vorurteilen zu spielen. Wer bei ihm nach einem klassischen Burgunder fragt, bekommt vielleicht stattdessen einen naturbelassenen Chardonnay aus Südafrika oder eine völlig unterschätzte Flasche aus dem Burgenland. Nicht aus Provokation, sondern weil er überzeugt ist: Guter Wein beginnt da, wo der Gast sich darauf einlässt.
Der Sommelier als Übersetzer – nicht als Prediger
Nitzsche hat eine Haltung, die in der feinen Gastronomie selten ist. Er nimmt sich selbst zurück. Er sieht sich nicht als allwissenden Weinexperten, sondern als Übersetzer zwischen Winzer, Küche und Gast.
„Viele Sommeliers denken, sie müssten Gäste erziehen. Ich denke, wir müssen ihnen zuhören.“ – das ist sein Credo.
Und genau darum ist er jetzt zu Gast bei SOMMELIER – der Podcast. Hier geht es nicht um Etiketten oder Punktebewertungen. Es geht um Haltung, um Ehrlichkeit und darum, warum die Weinwelt endlich frischen Wind braucht.
Ein Gespräch mit Stephan Nitzsche ist kein höflicher Austausch über Rebsorten. Es ist eine Konfrontation mit der Frage: Warum trinken wir Wein eigentlich? Und was macht ihn wirklich gut?
Aus der Vinum, während seiner Zeit auf Sylt
Ein riesen Dankeschön an die Produzenten, die diese Episode begleiten
